15 Jahre pro familia saarbrücken

15 Jahre pro familia saarbrücken

Noch 6 Wochen und ich verlasse den sicheren Hafen einer Festanstellung bei der pro familia in Saarbrücken. Ab dem 1.1.2013 bin ich dann mein eigener Herr (und Sklave) und arbeite zukünftig selbst und ständig. Ich freu mich drauf.

Im Rückblick auf diese Zeit in der Sexualpädagogik steht eine „Sache“ ganz oben: eine tief empfundene Dankbarkeit für die Gelegenheit, so mit Jugendlichen in Kontakt kommen zu dürfen. Denn das gibt es sonst nirgends.
Weder Lehrer noch Eltern haben die Möglichkeit, mit Jugendlichen so über Sexualität reden zu können: die Anonymität des unbekannten Fachmannes eröffnete den Jungen und Mädchen einen Raum um persönliche Themen einbringen zu können, und zusätzlich erlaubte meine Offenheit und Kontaktgestaltung, dass wichtige und intime Fragen gestellt werden konnten.

Wodurch ich am meisten gelernt habe, waren die Vergleiche, die durch meine spezielle Arbeitssituation möglich wurden: Vormittags durfte ich mit Kindern und Jugendlichen zum Thema Sexualität und Liebe arbeiten und am Abend hatte ich dann die Eltern- und Großelterngeneration vor mir.  Zwei Phänomene fand ich von Anfang an besonders auffällig:

Die Überzeugungen und Glaubensvorstellungen über Sexualität, die bei den Erwachsenen dann zu ausgewachsenen Problemen führten, waren im Grunde schon bei den Kindern und Jugendlichen angekommen. Lange vor deren erstem Zungenkuss, geschweige denn Geschlechtsverkehr.

Das zweite Phänomen, und das wurde weder in der pädagogischen noch in der psychologischen Fachliteratur diskutiert, ist die Ähnlichkeit zwischen den Selbstbefriedigungsgewohnheiten der Jungen und der Partnersexualität der Männer.
Erst im Sexocorporel fand ich dann Gleichgesinnte, die das ebenfalls so sahen – und noch dazu eine weit ausgearbeitete Theorie parat hatten. Mit ein Grund, weshalb ich von diesem Ansatz begeistert bin.

Diese Arbeit mit den Kindern und Jugendlichen wird mir fehlen.
Da denke ich zum Beispiel an den 6. Klässler, der mir mit Tränen in den Augen erzählt, dass er glaubt, dass seine Mama ihn nicht mehr lieb hat. Er berichtet mir mit einer solchen Klarheit von seinen Wahrnehmungen und Gefühlen, dass ich innerlich nur den Hut ziehen konnte, vor so viel Ehrlichkeit. So viele Erwachsene haben sich diese Ehrlichkeit zu sich selbst abgewöhnt!
Ich denke an den 9. Klässler, der mich fragt, ob sein Vater Recht hat mit der Behauptung, dass er seine Freundin mindestens zwei mal zum Orgasmus gebracht haben muss, bevor er selbst kommen darf.
Ich denke an die (gefühlten) tausend Variationen der alten Geschichte vom drin-steckenbleiben-und-nicht-mehr-raus-können, Penisbrüche, 40cm-Schwänze und Tod durch Blutleere im Kopf, Köpfe in Scheiden und andere Pornomärchen.
Und natürlich der türkische Junge aus der 4. Klasse, der mich fragte: „Wie lange muss man ficken für 2 Kinder?“

Ja, das wird mir wirklich fehlen.

 

 

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